In den letzten Jahren haben sich Unternehmen in zunehmendem Maß die Reduzierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz auf die Fahnen geschrieben. Es liegt nahe, dass sich die Aufmerksamkeit dabei zunächst auf die unmittelbar am Arbeitsplatz verursachten Belastungen richtet wie z.B. den gestiegenen Druck infolge der zunehmenden Beschleunigung von Prozessen, die Aufgaben-Verdichtung aus Kostengründen, die gestiegenen Erwartungen hinsichtlich Flexibilität und Mobilität aufgrund von Umstrukturierungen und beständigen Marktanpassungen der Unternehmen.
Zum einen sind es also die Unternehmen selbst, die zunehmend ihre Verantwortung für die psychische Gesundheit ihrer Arbeitnehmer*innen in den Blick nehmen, zum anderen nehmen gesetzliche Auflagen zunehmend Einfluss als Konsequenz auf kritische Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastungen am Arbeitsplatz.
Angebote zum Umgang mit Stress haben Hochkonjunktur. In den Medien und Ratgebern wimmelt es von Hilfestellungen und Anleitungen zu Stress-Prävention, Stressmanagement, gesunder Ernährung, Sport,- und Entspannungsprogrammen zum „Runterkommen“. Das Thema Gesundheit boomt.
Ob die durch die Corona-Krise bedingte Entschleunigung der (Arbeits)Welt zu einer substantiellen Haltungsänderung und Neu-Orientierung in Unternehmen führen wird bleibt abzuwarten.
Doch was ist, wenn psychische Probleme auf Notlagen im privaten Beziehungs-Bereich zurückzuführen sind?
Die Auswirkungen von privaten Beziehungsproblemen im beruflichen Feld findet immer noch erstaunlich wenig Beachtung, obwohl die enormen psychischen Kosten von anhaltenden Partnerkrisen, häuslicher Gewalt, Trennung und Scheidung kein Geheimnis sind. Als „Privatsache“ der Mitarbeiter*innen sind private Beziehungsprobleme jedoch häufig nicht ausreichend im Blick von Unternehmen.
Insgesamt scheint die Wechselwirkung von privatem und beruflichem Stress immer noch unterbelichtet. Auch der Umstand, dass psychische Probleme, die aus dem beruflichen Alltag resultieren in der Regel zuhause abgeladen werden und dort in den eigenen vier Wänden als mächtiger externer Stressor die private Beziehung belasten, findet viel zu wenig Beachtung. Unsere private Beziehung, unsere Familie ist mit dieser Funktion, selbstverständlicher Ent-Sorgungsort für unsere Arbeitsplatz-Nöte zu sein häufig überfordert. Beruflich bedingter Dauer-Stress hat in aller Regel auch Folgen für die Beziehung, was dann wiederum ungünstig als Beziehungsstress auf unser „Arbeitsleben“ zurückkoppelt – im schlimmsten Fall also ein sich verstärkender Teufelskreis mit Folgen.
Private Beziehungsprobleme und ihre Bedeutung für Unternehmen
In unserer Auswertung der Beratungen von Mitarbeiter*innen aus unterschiedlichen Branchen und Hierarchie-Ebenen wird deutlich, dass ein erheblicher Teil der psychischen Belastungen auf Beziehungsprobleme im privaten Bereich zurückzuführen ist, also Probleme in der Partnerschaft, Trennung/Scheidung oder bei Konflikten im persönlichen sozialen Umfeld – Tendenz steigend.
Anhaltende Partnerschaftsprobleme, Trennungskrisen und insbesondere jene als „hochstrittig“ bezeichneten chronischen (Trennungs)Konflikte mit nervenaufreibenden gerichtlichen Auseinandersetzungen sind überaus komplex. Der Grad der psychischen Belastung nimmt dabei mit dem Eskalationsniveau zu. Trennungen, bei denen Kinder im Spiel sind, sind immer verbunden mit einer schmerzhaften Beschränkung des Kontakts zwischen Eltern und Kindern. An die Stelle des spontanen Kontakts im normalen Zusammenleben treten häufig starre Umgangsregelungen und im schlimmsten Fall droht ein längerfristiger Kontaktverlust. Als Mutter oder Vater nach einer Trennung nicht mehr so umfassend am Leben des Kindes teilhaben zu können wie vorher während des Zusammenlebens ist für viele getrennte Eltern ein schockierender und belastender Einschnitt. Ein Partnerschafts,- oder Trennungs,- und Scheidungskonflikt bedeutet für viele, in ein tiefes seelisches Loch zu stürzen. Für nicht wenige stellt sich in dieser existentiellen Krise die Sinn-Frage, wie es weitergehen soll nach dem Scheitern ihres tragenden Lebensentwurfs von Partnerschaft und Familie.
Gerald Hüther, der als einer der bekanntesten Hirnforscher Deutschlands gilt, rückt die besondere Bedeutung unserer nahen privaten Beziehungen ins rechte Licht, wenn er sagt:
„Menschen machen die wichtigsten Erfahrungen immer in der Beziehung zu anderen. Nichts tut so weh wie Ablehnung und Abwertung und nichts ist so beglückend wie die Anerkennung und Wertschätzung von anderen. Bisweilen spüren wir sogar, wie wir so zu Höchstleistungen imstande sind … Man fühlt sich dann nicht nur kräftiger, man bleibt auch eher gesund. Umgekehrt kosten emotionale Konflikte mit Lebenspartnern besonders viel Energie“. So Hüther, der damit auch die Verbindung zwischen der privaten Beziehungswelt und der Arbeitswelt herstellt.
Menschen, die eine Partnerschaftskrise, eine (hochstrittige) Trennung durchleben sind eben nicht nur konflikt-belastete Frauen und Männer, Mütter und Väter, Eltern, sondern in aller Regel auch Arbeitnehmer*innen, deren Arbeitskraft und Leistungsfähigkeit unter dem enormen Belastungsdruck des privaten (Trennungs)Konflikts leidet. Unsere privaten Lebenskrisen haben für uns weitreichende Folgen in beiden Sphären, in unserer Beziehungswelt und unserer Arbeitswelt. Diese beiden Welten sind also eng aufeinander bezogen, sie gehören zusammen, sie sind keine hermetisch voneinander abgetrennten Bezirke. Belastungen in unseren privaten Beziehungen werden zu einem persönlichen Kraftakt, aber sie werden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch für den Job zu einem (Riesen)Problem.
Die Folgen und Kosten für Unternehmen durch ineffizientes, unkonzentriertes und fehlerhaftes Arbeiten, weil die Gedanken im Unglück „daheim“ oder bei der zerbrochenen Beziehung sind, lassen sich nicht genau beziffern, genauso wenig wie die Kosten aufgrund krankheitsbedingter Fehlzeiten infolge von Beziehungs,- und Trennungsproblemen. Sie werden jedoch weit unterschätzt. Aber auch das betriebliche Arbeitsklima leidet schnell, wenn das Engagement einer/s Kolleg*in nicht mehr stimmt, weil er/sie wegen der privaten Sorgen nicht bei der Sache ist oder er/sie die permanente Anspannung, die aus der verfahrenen privaten Situation resultiert in den Betrieb trägt.
Verantwortlich Handeln als Unternehmen
Private Beziehungsprobleme haben aufgrund ihrer Auswirkungen auf das Arbeitsverhalten und die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz also auch eine betriebliche Seite. Unternehmen sollten sich daher durchaus „einmischen“, wenn Konflikte im privaten Bereich eskalieren.
Führungskräfte wissen aber häufig nicht, wie sie professionell mit derart persönlichen Problemstellungen umgehen sollen. Es ist selbstverständlich nicht ihre Aufgabe, die privaten Probleme von Mitarbeiter*innen zu lösen, jedoch sollte ihnen im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht der Zusammenhang bewusst sein, dass Menschen ihr Privates und die damit verbundenen Emotionen unvermeidbar in die Arbeitswelt mitbringen und anhaltende Beziehungsprobleme einen starken Einfluss auf das Arbeitsverhalten und die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz nehmen. Dies zu ignorieren wäre ein Kunstfehler von Personalverantwortlichen.
Führungskräfte sollten sich im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht einschalten, wenn sie entsprechende Auswirkungen wahrnehmen. Sie sollten dafür Sorge tragen, dass Mitarbeiter*innen ihre Eigenverantwortung für eine Veränderung der privaten Konflikt-Situation wahrnehmen und falls notwendig auch professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, wenn die Möglichkeiten der Selbsthilfe und der Deseskalation im privaten Umfeld ausgeschöpft sind. Je weiter fortgeschritten die Eskalation eines Partnerschafts,- oder Trennungskonflikts ist, desto dringlicher wird die Inanspruchnahme von professioneller Hilfe durch konflikt,- und trennungskundige Akteure.
Ziel ist es, auf eine Entlastung von den privaten Sorgen hinzuwirken, so dass auch die Arbeit nicht leidet.
VIA bietet:
- Coaching für Mitarbeiter*innen bei Partnerschaftsproblemen
- Trennungs,- und Scheidungsberatung für Mitarbeiter*innen
Die Eskalation von Konflikten ist natürlich keine Eigenheit von privaten Beziehungen. Auch im Kontext Arbeit können Konflikte völlig aus dem Ruder laufen und einen „hochstrittigen“ Verlauf nehmen. Dabei sind zwei Grundformen zu unterscheiden:
a) Konflikte in Form einer einseitigen Machtausübung mit dem Ziel, eine/n Kolleg*in in seiner/ihrer Integrität durch anhaltende Herabwürdigung und Ausgrenzung zu beschädigen. (Mobbing)
oder
b) Konflikte in Form einer symmetrischer Eskalation, bei der sich zwei Kontrahent*innen oder auch zwei einander gegenüber stehende Lager in einem wechselseitigen Kampf verstrickt haben, der die Arbeitsatmosphäre belastet und die Arbeitsleistung beeinträchtigt.
VIA bietet:
- Coaching bei („hochstrittigen“) Konflikten zwischen Mitarbeiter*innen im betrieblichen Kontext