Formen der Unterstützung für Eltern bei „hochstrittigen“ (Trennungs)Konflikten

„Hochstrittige“ Konflikte sind anders als „normale“ (Trennungs)Konflikte

Konflikte auf einer niedrigen Eskalationsstufe gehen schnell vorüber. Die Intensität der Auseinandersetzung bleibt auf kleiner Flamme. Beide Partner haben noch Zugang zu einer Vielzahl von persönlichen und zwischen-menschlichen Ressourcen bei der Bearbeitung ihrer Konflikte. Eine Gefahr für Dritte, in den Konflikt verstrickt zu werden ist nicht zu befürchten. Es herrscht Einigkeit, die Differenzen unter sich, im kleinen Kreis zu klären und so die eigene Autonomie als Eltern nicht aufs Spiel zu setzen.

Der „hochstrittige“ (Trennungs)Konflikt ist anders. Mächtige Gefühle (Verzweiflung, Angst, Wut, Hass, Rache-Impulse) übernehmen die Regie. Es kommt zu heftigen Gefühlsausbrüchen, in denen verletzende Dinge gesagt und getan werden, die eine Rückkehr zur Normalität immer unwahrscheinlicher machen. Bildlich gesprochen handelt es sich um gefährliche Vulkanausbrüche, die sich im „hochstrittigen“ Konflikt Bahn brechen.

Rechthaberei bestimmt die Szene. Im schlimmsten Fall kommt es zu einem Kampf um jeden Preis, in dem jedes Mittel zur Durchsetzung der ego-zentrischen Wahrheit und der eigenen Interessen recht ist. Moralische Kategorien werden zunehmend außer Kraft gesetzt. Die Bereitschaft und die Fähigkeit, sich an Vereinbarungen und Verträge zu halten schwinden immer mehr. Verleumdungen, Beschuldigungen und „gewaltige“ Aktionen zielen darauf ab, den anderen zu beschädigen und in seiner Existenz zu treffen. Leidtragende dieser „hochstrittigen“ Dynamik sind nicht zuletzt die Kinder, die zwischen die Eltern-Fronten geraten.

Wenn „hochstrittige“ Konflikte erst einmal Fahrt aufgenommen haben, ist es für die Kontrahenten äußerst schwer, HALT zu finden. Die Dynamik bei eskalierenden Konflikten ist vergleichbar mit einem Flächenbrand, der ausgehend von der Paarebene auch die Elternebene erfasst. Das Kind wird in den Konflikt einbezogen.
Darüberhinaus kommt es zu einer personellen Ausweitung des Konflikts im privaten Umfeld. Familienmitglieder und Freunde werden vom Konflikt „infiziert“, sie werden hineingezogen oder mischen sich ein. Das Konfliktsystem wird zudem durch die Einschaltung der Trennungs,- und Scheidungsprofessionen (Gericht, Jugendamt, Verfahrensbeistand, Gutachter u.a.) immer größer und unübersichtlicher. Die Vielzahl der professionellen Akteure und ihre mangelnde Kooperation birgt ein hohes Risiko für den weiteren Konfliktverlauf. („Viele Köche verderben den Brei.“) Gerichtliche Verfahren wirken aufgrund ihrer kontradiktorischen Logik und den damit verbundenen wechselseitigen Schuld-Zuweisungen nicht selten als „Brandbeschleuniger“.
Für die Kinder bedeutet die Befragung durch die professionellen Akteure der unterschiedlichen Institutionen eine zusätzliche Belastung.

 

Wieder HALT finden

VIA verfügt über eine langjährige Erfahrung darin, wie es gehen kann, in „hochstrittigen“ Konflikten wieder HALT zu finden. Bei dem Versuch, HALT zu geben setzt VIA auf ein Denken und Handeln, das über therapeutisches Wissen im Umgang mit Kränkungen, Verletzungen und den daraus resultierenden mächtigen Gefühlen hinausgeht. Das Verständnis, die Empathie für den verletzten, gekränkten Teil wird ergänzt durch eine konfrontierende, Grenzen setzende Haltung, insbesondere im Hinblick auf die Zumutungen, die das destruktive Handeln der Eltern für die Kinder bedeutet.

 

 

5 unterschiedliche Formen der Unterstützung bei „hochstrittigen“ Trennungs-Konflikten

 

(1) Gerichtsnahe Beratung (GB)

Sie unterscheidet sich von der klassischen Beratung mit ihrem gänzlich freiwilligen Charakter durch einen von Außen seitens des Gerichts auf die Eltern ausgeübten Drucks, das abgebrochene gemeinsame Gespräch über die offenen Eltern-Themen und den zugrundeliegenden Paar-Konflikt wieder aufzunehmen. Während also die „normale“ Beratung durch eine hohe Eigen-Motivation beider Eltern zustande kommt, wird die Gerichtsnahe Beratung durch eine Fremd-Motivation angestoßen. Das Gericht ist der Initiator für diese besondere Form der Beratung, die eben deshalb von uns als „gerichtsnah“ bezeichnet wird.

Für die Gerichtsnahe Beratung (GB) gelten besondere Rahmenbedingungen.

  • Entbindung von der Schweigepflicht
    Die Qualität der Kooperation der Trennungs-und Scheidungsprofessionen spielt aus unserer Sicht eine überaus bedeutsame Rolle für den weiteren Verlauf  von „hochstrittigen“ Eltern-Konflikten. Dementsprechend ist bei gerichtlichen Zuweisungen die Zusammenarbeit mit dem Gericht von großer Bedeutung. In der ersten Kontaktnahme des Gerichts mit dem Berater wird die grundsätzliche Eignung dieser Maßnahmeform für die betreffende Familie mit ihrer speziellen Konfliktlage auf den Prüfstand gestellt. Wird eine GB als passend erachtet, ist die grundsätzliche Möglichkeit eines vertraulichen fachlichen Austausches der Beratung mit dem Gericht, aber auch den anderen verfahrensbeteiligten Akteuren (Verfahrensbeistand, Jugendamt) unverzichtbar.
    Eine Entbindung des Beraters von der Pflicht zur Verschwiegenheit ist eine unerlässliche Voraussetzung für das Zustandekommen einer Gerichtsnahen Beratung.
  • Einsicht in Unterlagen
    Da bei fortgeschrittenen Eltern-Konflikten immer eine ganze Reihe von Institutionen involviert sind, ist es für die GB wichtig, die Bilder zu kennen, die sich die verfahrensbeteiligten professionellen Akteure über die Eltern, deren Konflikt-Geschichte und die Situation des Kindes gemacht haben. Dazu ist es notwendig, dass die Eltern die wesentlichen Unterlagen zur Einsicht zur Verfügung zu stellen. Wesentliche Unterlagen sind:
    Stellungnahmen des Jugendamts und des Verfahrensbeistandes
    Protokoll des Gerichts zum Anhörungstermin, gerichtliche Vereinbarung, Beschluss des Gerichts, 
    – familienrechtliches Gutachten (falls vorliegend).
  • Schriftlicher Bericht
    Die Gerichtsnahe Beratung beinhaltet zum Abschluss in aller Regel einen kurzen schriftlichen Bericht an das zuweisende Gericht. Dieser enthält die von den Eltern getroffenen Vereinbarungen, aber auch die ungelösten Streitpunkte. Teil der Rückmeldung sind auch Einschätzungen zur elterlichen Kooperationsbereitschaft und zur Bindungstoleranz.
    Im Falle eines Abbruchs der GB ist die Benennung, Erklärung und Bewertung der Gründe ein wichtiger Bestandteil des Berichts. Das Scheitern kann an beiden Eltern liegen oder aber auch einseitig durch einen Elternteil bedingt sein.
    In seltenen Fällen stellt sich heraus, dass die Gerichtsnahe Beratung nicht (mehr) das Mittel der Wahl ist, weil eine oder beide Seiten den Verhandlungsweg verlassen haben und ganz auf einen Sieg im gerichtlichen Verfahren setzen. In diesem Fall droht dann leider aufgrund der Abhängigkeit von den Entscheidungen Dritter (Gericht, Jugendamt) der (längerfristige) Verlust der Eltern-Autonomie.
  • Kosten für die Gerichtsnahe Beratung (BM).
    Im Rahmen der GB werden die Kosten für die gemeinsamen Gespräche zwischen den Eltern hälftig geteilt, während die Kosten für die Einzelgespräche jedem Elternteil separat in Rechnung gestellt werden.

(2) Coaching im Trennungsprozess (einzeln, gemeinsam)

Dabei steht der emotionale Ausnahmezustand des Einzelnen im Fokus. Mächtige Gefühle wie Verzweiflung, Angst, Wut, Hass und Rache-Impulse liefern den Brennstoff für das außer Kontrolle geratene Feuer im „hochstrittigen“ Konflikt.

Im geschützten Rahmen des Einzelgesprächs kommt die besondere emotionale Not des Einzelnen zur Sprache: Existenz-Ängste, alte Verletzungen durch den anderen, Angst vor neuen Kränkungen und nicht zuletzt die Angst, den Kontakt zum Kind zu verlieren, und …
Aber auch jene Verletzungen, die dem anderen  in der Spirale wechselseitiger Grenzüberschreitungen womöglich zugefügt wurden, werden Thema. Das Emotions-Coaching im Einzelgespräch ist ein wichtiger methodischer Baustein eines Beratungsprozesses, an dem idealerweise beide Streitparteien aktiv teilnehmen. Das Emotions-Coaching mit dem Einzelnen und gemeinsame Gespräche bilden sogesehen ein sinnvolles Ganzes.
In Fällen jedoch, in denen der Kontakt zum anderen Elternteil aufgrund der fortgeschrittenen Eskalation gänzlich abgebrochen ist und gemeinsame Gespräche von einer Seite kategorisch abgelehnt werden, stellt das Emotions-Coaching einen Notbehelf für den Einzelnen in seiner akuten Krisensituation dar.
Ziel ist aber auch hier im Einzelkontakt, die Wahrscheinlichkeit gemeinsamer Gespräche zu erhöhen, um wieder auf eine zumindest minimale Kooperation für die Belange der Kinder auf der sogenannten Eltern-Ebene hinzuwirken.


(3) Beratung bei Eltern-Kind-Entfremdung (Einzelsetting)

Wenn Eltern ihre Elternaufgabe im Zusammenleben gemeinsam wahrgenommen haben, sich aber nach einer Trennung nicht auf ein paritätisches Doppelresidenz-Modell verständigen können, entsteht zwangsläufig ein bedeutsamer Unterschied zwischen dem Hauptsächlich betreuenden Elternteils (HbE) und dem Getrennt lebenden Elternteil (GE). Die Entscheidung darüber, bei welchem Elternteil das Kind nach einer Trennung überwiegend lebt, entscheidet nachhaltig darüber, welcher Elternteil sein bisheriges „spontanes“ Beziehungsleben mit dem Kind weitestgehend fortsetzen und wer nur noch „Umgang“ mit ihm haben darf. Zwangsläufig entsteht ein Machtgefälle im Hinblick auf die Nähe-Zeit mit dem Kind und den Betreuungs-Alltag .

Das wirkliche Problem ist jedoch nicht die Entstehung von Macht aufgrund dieser trennungsbedingten Ungleichheit, sondern wie dieser Zuwachs von Macht vom Hauptsächlich betreuenden Elternteils (HbE) gelebt und vom Getrennt lebenden Elternteil (GE) erlebt wird. Geht der HbE verantwortlich oder missbräuchlich mit seiner Macht um? Wie kommt der GE mit seiner „kleineren“ Rolle klar?
Wenn Macht missbraucht und eine bestehende gute Beziehung des Kindes zum getrennt lebenden Elternteil (GE) erschwert oder gar blockiert wird, drohen schwerwiegende Folgen für die Bindung. Die Not getrennt lebender Mütter / Väter und Kinder, die von einer Eltern-Kind-Entfremdung bedroht sind ist mit Händen zu greifen.

Insbesondere in Fällen, in denen es zu einem Kontakt-Abbruch kommt, machen sich beim entfremdeten Elternteil Gefühle von Wut, Ohnmacht und nicht zuletzt Angst breit, das Kind für immer zu verlieren. In dieser verzweifelten Lage bleibt oft nur noch die Hoffnung, dass das Gericht den offensichtlichen Missstand doch „richten“ wird. Die Erfahrung mit dem gerichtlichen Weg ist jedoch immer wieder sehr ernüchternd. Der emotionale Ausnahmezustand angesichts des (drohenden) Kontaktverlustes findet häufig nicht das erhoffte baldige Ende. Nicht selten steigert sich der Elternstreit im Zuge der gerichtlichen Auseinandersetzung zu einer nervenaufreibenden und nicht enden wollenden Schlammschlacht, die den Graben zwischen den Eltern noch mehr vertieft und die bereits eingetretene Entfremdung zum Kind noch weiter verschärft.
Wenn dann auch noch mangelnde Kooperation und / oder ideologische Grabenkämpfe zwischen den beteiligten Professionen (Gericht, Anwälte, Jugendamt, Verfahrensbeistand, Beratung) hinzukommen, wirken deren Interventionen im schlimmsten Fall als zusätzliches Öl ins Feuer des Elternkonflikts. Diese gar nicht so seltene Erfahrung hat für die betroffenen Mütter und Väter häufig eine verstörende, ja mitunter eine traumatisierende Wirkung.

Was kann VIA in dieser eskalierten Situation leisten?

Wege der Unterstützung im Einzelsetting

  • Den Konflikt verstehen – Begleiten – Halt geben
    Es ist für Betroffene schwer, den eigenen „hochstrittigen“ Konflikt in seiner Vielschichtigkeit zu überblicken. VIA hat jahrelange Erfahrung damit, „hochstrittige“ Konflikte zu lesen, sie in ihrer Intensität einzuschätzen und typische Konflikt-Muster und Mechanismen zu identifizieren.
    Uli Alberstötter hat ein drei-stufiges Eskalationsmodell entwickelt, das professionellen Akteuren, aber auch Eltern Orientierung bietet, um sich ein realistisches Bild über das Ausmaß des eigenen Konflikts zu machen. Dies ist insofern bedeutsam, weil abhängig vom Eskalationsniveau des Konflikts unterschiedliche Maßnahmen geboten sind.
    VIA kann Betroffenen in ihrem psychischen Ausnahmezustand Halt geben. Das eigene Leid verengt den Blick. Wer außer-sich“ ist, tut sich schwer damit, innezuhalten und die eigenen Gefühle (wieder) in ihrer ganzen Bandbreite wahrzunehmen. In der verheerenden Dynamik des Hochkonflikts herrscht leider der Tunnelblick, der die Selbst,- und Fremdwahrnehmung einengt. Verzerrte Feindbilder treiben das eigene Verhalten, dessen destruktive Wirkung aber oft nicht mehr gesehen werden kann.
    Wir halten mit den Betroffenen Ausschau nach einem anderen, verträglicheren Umgang mit sich selbst und der „anderen Seite“.
    Wir ersparen dabei den Betroffenen nicht den Blick auf ihren eigenen Anteil am Konflikt.
  •  Der Weg zu einem anderen (inneren) Kontakt mit dem Kind
    Nicht immer lässt sich die Kontaktverweigerung eines Kindes ausschließlich aus der Manipulation und Instrumentalisierung durch den hauptsächlich betreuenden Elternteil erklären. Es ist unerlässlich, auch das eigene Handeln gegenüber dem Kind kritisch unter die Lupe zu nehmen und falls not-wendig nach anderen Wegen im Kontakt mit ihm zu suchen. Im Fall einer Kontaktverweigerung des Kindes geht es darum, eine Haltung des aktiven Wartens zu entwickeln, anstatt in Resignation und Enttäuschung über die Kontakt-Ablehnung des Kindes zu versinken.

 

(4) Coaching im Gerichtlichen Verfahren

  • Eine Haltung entwickeln für das familiengerichtliche Verfahren
    Mit Aufnahme des Verfahrens betreten die Betroffenen eine ganz eigene Welt. Sie treffen jetzt auf unterschiedliche Sprachen und Logiken der verschiedenen Trennungs- und Scheidungs-Professionen. Gericht, Jugendamt und Beratungsstelle „ticken“ verschieden.
    Anhörungstermine bei Gericht im Besonderen, aber auch alle anderen Kontakte mit den verfahrensbeteilgten Institutionen (Anwälte, Jugendamt, Verfahrensbeistand, Gutachter …) sind mit einem immensen zusätzlichen Stress verbunden, der das ohnehin schon angespannte Nervenkostüm häufig vor eine große Zerreißprobe stellt. Es ist in einer solchen von mächtigen Gefühlen dominierten Situation keine leichte Aufgabe, Ruhe zu bewahren. Wer jedoch die Fassung verliert, „außer-sich“ gerät, wird sich und dem eigenen Anliegen schaden.
    VIA hat deshalb zum Ziel, mit den Betroffenen zum einen an einer Haltung des Bei-Sich-Seins zu arbeiten, um die eigenen Interessen als Mutter/Vater mit möglichst großer Klarheit und Weitsicht vor Gericht zu vertreten. Zum anderen geht es darum, den Betroffenen die unterschiedlichen Rollen der beteiligten Insitutionen zu verdeutlichen und das Handeln der verschiedenen professionellen Akteure zu „lesen“, um eine angemessene eigene Reaktion darauf zu entwickeln.

 

(5) Systemisch-lösungsorientierte Begutachtung

Falls Sie an Informationen zur Lösungsorientierten Begutachtung interessiert sind, finden Sie diese hier.