VIA bietet systemisch-lösungsorientierte Begutachtungen zu Fragestellungen, die im Rahmen von familiengerichtlichen Verfahren bei „hochstrittigen“ Elternkonflikten auftauchen. Eine Beauftragung kann ausschließlich durch das Familien-Gericht nach § 163 (2) FamFG erfolgen.
Bei den meisten Trennungen finden die Eltern einen Weg, um nach verträglichen Lösungen für ihre Trennung zu suchen – nicht zuletzt ihrem Kind zuliebe. Nicht immer jedoch reichen die Selbsthilfekräfte einer Trennungsfamilie für gute Lösungen. Beratung und Mediation unterstützen als professionelle Angebote Eltern in der akuten Trennungs-Krise. Mediation und Beratung (nach § 17/18 KJHG) sind „gerichtsfern“, d.h. sie sind freiwillig und setzen ganz auf die Bereitschaft der Eltern, in Kooperation nach Antworten für all die in der Zeit der Trennung auftauchenden Fragen und drängenden Nöte zu suchen. Daneben gibt es zunehmend auch „gerichtsnahe“ Formen der Beratung, die eine Rückmeldung über den Beratungsprozess und seine Ergebnisse an die Kooperationspartner Jugendamt und Gericht vorsehen.
Aber auch Beratung und Mediation als Krisenhilfen geraten an ihre Grenzen, wenn sich mächtige Gefühle Bahn brechen und es zu einer von beiden Seiten gleichermaßen angeheizten symmetrischen Eskalation oder einer einseitigen Machtausübung des hauptsächlich betreuenden Elternteils („Verfügungsgewalt“) gegen den getrennt lebenden Elternteil kommt. In beiden Konstellationen droht der Gang zum Gericht. Mit einem Antrag bei Gericht wird der/die Richter*in als „machtvoller Dritter“ zur Entscheidung der umkämpften Streitpunkte aufgerufen.
Aber auch dem Gericht ist ins Stammbuch geschrieben, in „jeder Lage des Verfahrens“, auf ein Einvernehmen der Streitparteien hinzuwirken. (FamFG, § 156) In chronisch „hochstrittigen“ Konflikten sind jedoch einvernehmliche Lösungen angesichts des zeitlich begrenzten Zeitfensters in der gerichtlichen Anhörung und wegen der eingetretenen Starre der Positionskämpfe nicht sehr wahrscheinlich.
Dem Gericht stehen in dieser zugespitzten Situation zwei Wege der Begutachtung offen,
– zum Einen das klassische Gutachten mit seiner fachlichen Expertise als Entscheidungshilfe für den/die Richter*in und
– zum Anderen die lösungsorientierte Begutachtung als letzte Möglichkeit für die Eltern, in der Zusammenarbeit mit dem Sachverständigen ihre elterliche Verantwortung für eine einvernehmliche Lösung doch noch wahrzunehmen und so eine richterliche Entscheidung abzuwenden, die das große Risiko birgt, dass mit ihr nur Sieger und Verlierer produziert werden, was eine dauerhafte Deeskalation und Befriedung des Konflikts unwahrscheinlich macht.
Im Unterschied zur klassischen, entscheidungsorientierten Begutachtung, die auf der Basis ihrer Diagnostik dem Gericht Empfehlungen für seine Entscheidung an die Hand gibt, eröffnet die Beauftragung einer systemisch-lösungsorientierten Begutachtung dem/der Sachverständigen einen erweiterten Handlungs-Spielraum, sowohl was die Gestaltung der Begegnungen mit den Eltern und dem Kind als auch die Interventionen angeht. Er hat z.B. die Möglichkeit, einen Probezeitraum für ein bestimmtes Betreuungsmodell ins Spiel zu bringen, so dass die Eltern neue Erfahrungen machen können, die im positiven Fall zur Entspannung beitragen.
Der lösungsorientierte Sachverständige ist aber nicht nur als aktiver Vermittler für die offenen Fragen auf der sog. Elternebene aufgerufen, sondern er hat auch die Möglichkeit, den im Untergrund immer noch schwelenden Paarkonflikt mit den alten Verletzungen auf beiden Seiten zur Sprache zu bringen, wenn dieser die Suche nach guten Lösungen behindert – nicht zuletzt für das gemeinsame Kind.
Eine systemisch-lösungsorientierte Begutachtung wird mit ihrem erweiterten Fokus neben den Eltern auch andere am Konflikt Beteiligte aus dem persönlichen Umfeld (neue Partner, Großeltern …) einbeziehen. Nicht selten sind es nämlich Beiträge aus dem „Hinterland“ der Protagonisten, die als zusätzliches Öl im Feuer zur Aufrechterhaltung und Verschlimmerung des Konflikts ganz wesentlich beitragen. Personen aus dem Umfeld können aber auch Teil der Lösung sein und mit ihren Beiträgen die Deeeskalation des Konflikts unterstützen.
Wenn jedoch die Eltern auch mit Unterstützung des systemisch-lösungsorientierten Sachverständigen keine guten Lösungen für ihr Kind erreichen, ist die Expertise des Sachverständigen mitsamt seinen Empfehlungen für das Gericht und dessen Entscheidung die ultima ratio. Der Preis für die richterlichen Entscheidung ist freilich hoch. Die Eltern setzen ihre Autonomie aufs Spiel. Sie bleiben in einer dauerhaften Abhängigkeit von der Entscheidung eines Dritten (Gericht) zu intimen Familien-Themen.